Ist Narzissmus therapierbar?
Therapie bei Narzissmus: Zwischen Hoffnung und Realität
Die Frage nach Therapiemöglichkeiten bei narzisstischen Persönlichkeitsstörungen ist komplex und oft von Missverständnissen geprägt. Während viele Betroffene hoffen, ihren narzisstischen Partner durch Therapie „heilen“ zu können, ist die Realität vielschichtiger. Ja, es gibt wirksame therapeutische Ansätze – aber sie sind an strenge Voraussetzungen geknüpft und führen selten zu einer vollständigen „Heilung“ im klassischen Sinne.
Eine besondere Herausforderung liegt in der sogenannten Ich-Syntonie der narzisstischen Störung: Narzissten empfinden ihr Verhalten und ihre Persönlichkeitsmerkmale als völlig normal, ja sogar als positiv und zu sich gehörend. Sie sehen ihr übersteigertes Selbstbild, ihre Grandiositätsfantasien und ihre manipulativen Strategien als natürlich und angemessen an – als wäre es die vernünftigste Sache der Welt, sich selbst für außergewöhnlich zu halten und andere Menschen für die eigenen Zwecke zu instrumentalisieren. Dies macht es extrem schwierig, überhaupt einen therapeutischen Zugang zu finden.
Das narzisstische Abwehrsystem funktioniert wie eine undurchdringliche Festung, die das fragile Selbst schützt. Diese Festung aufzugeben, und sei es auch nur für eine therapeutische Stunde, erfordert ein Maß an Selbstreflexion und Veränderungsbereitschaft, das den meisten Narzissten zunächst nicht zur Verfügung steht. Sie sehen das Problem fast immer bei anderen, nicht bei sich selbst. Eine Therapie würde bedeuten, die eigene Maske fallen zu lassen – und genau davor haben sie am meisten Angst.
Wenn Narzissten doch den Weg in eine Therapie finden, dann oft aus „falschen“ Gründen: Um den Partner zu beschwichtigen, als Alibi für das Umfeld oder wegen sekundärer Probleme wie Depressionen oder Beziehungskrisen. Doch: therapeutische Arbeit kann nur gelingen, wenn eine ausgeprägte Eigenmotivation besteht, wenn echter Leidensdruck vorhanden ist und wenn die Bereitschaft da ist, das eigene Verhalten kritisch zu hinterfragen.
Sind diese Voraussetzungen gegeben, stehen durchaus wirksame Therapieformen zur Verfügung. Die Schematherapie etwa arbeitet gezielt mit den frühen Verletzungen und dysfunktionalen Mustern, die der narzisstischen Störung zugrunde liegen. Die mentalisierungsbasierte Therapie hilft dabei, Empathiefähigkeit zu entwickeln und die eigenen Gefühle besser zu verstehen. Auch psychodynamische Ansätze und spezielle Formen der Verhaltenstherapie können gute Erfolge erzielen.
Der therapeutische Prozess ist dabei immer langwierig und erfordert viel Geduld. Es geht um nichts weniger als die grundlegende Umstrukturierung der Persönlichkeit: Das Erkennen und Verarbeiten früher Verletzungen, den Aufbau eines stabileren Selbstwertgefühls, die Entwicklung echter Empathiefähigkeit und das Erlernen gesunder Beziehungsmuster. Dies sind tiefgreifende Veränderungen, die sich nicht von heute auf morgen einstellen.
Für Partner und Angehörige ist es wichtig zu verstehen: Die Existenz von Therapiemöglichkeiten ist kein Grund, in einer toxischen Beziehung auszuharren. Die Entscheidung für eine Therapie muss vom Narzissten selbst kommen und kann nicht von außen erzwungen werden. Auch darf die eigene psychische Gesundheit nicht von der Therapiebereitschaft des Narzissten abhängig gemacht werden. Der Therapieprozess ist lang, der Ausgang ungewiss, und die eigene Sicherheit und das eigene Wohlbefinden müssen immer Vorrang haben.
Warnung: Hoffe nicht darauf, einen Narzissten „heilen“ zu können. Auch wenn es Therapiemöglichkeiten gibt – die Veränderung muss von ihm selbst gewollt und aktiv angestrebt werden. Eine vollständige „Heilung“ ist selten; realistischer sind graduelle Verbesserungen und ein besseres Management der Störung.